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Quelle:
http://www.annonet.de/recht/aktuelles/bverfg/03rente.shtm
Zur Berechnung der von der Versorgungsanstalt
des Bundes und der Länder gewährten Zusatzrente
BVerfG, Beschluss vom 22. März 2000 - Az. 1 BvR 1136/96 -
Die
2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde (Vb)
gegen die Berechnung der Versorgungsrente von Arbeitnehmern, die bei der
Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) versichert sind, nicht
zur Entscheidung angenommen. Die Kammer weist jedoch in ihrem Beschluss
darauf hin, dass folgende Satzungsregelungen aus verfassungsrechtlicher
Sicht nur noch bis Ende des Jahres 2000 hingenommen werden können:
1. Soweit es um Vordienstzeiten (Beschäftigungen außerhalb des öffentlichen
Dienstes) geht, werden diese nur zur Hälfte bei der Berechnung der
gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit angerechnet; in dieser Zeit erworbene
Rentenansprüche werden jedoch voll auf die Zusatzrente angerechnet.
2. Die von der VBL garantierte Mindestversorgungsrente wird nicht
dynamisiert.
Ab dem 1. Januar 2001 verstoßen diese Satzungsregelungen gegen das Gebot der
Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Satzungsgeber der VBL hat bis dahin
die Berechnungsgrundlagen zu überprüfen.
I.
1. Durch die VBL-Zusatzrente soll Arbeitnehmern des Bundes und der Länder
sowie Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe ein
Gesamtversorgungsniveau gewährt werden, das sich an der Beamtenversorgung
orientiert (Gesamtversorgung). Als gesamtversorgungsfähige Zeit werden bei
rentenversicherungspflichten Beschäftigten die im öffentlichen Dienst
erreichten Monate voll und Vordienstzeiten zur Hälfte berücksichtigt, soweit
letztere beitragspflichtig oder beitragsfrei in der gesetzlichen
Rentenversicherung waren.
Als Mindestleistung erhalten die Versicherten eine Mindestversorgungsrente,
die sich nach einem bestimmten Prozentsatz der vor 1978 erbrachten Beiträge
und der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte seit 1978 bestimmt. Diese
Rente ist im Gegensatz zu den regulären Versorgungsrenten nicht dynamisiert,
sondern statisch. Die Mindestversorgungsrente wird auch dann gezahlt, wenn
die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung über dem ermittelten
Gesamtversorgungsbedarf liegt.
2. In Zusammenhang mit den von der VBL gewährten Zusatzrenten hat das BVerfG
bisher u.a. folgende Entscheidungen getroffen:
Mit Beschluss vom 15. Juli 1998 (s. Pressemitteilung Nr. 130/98 vom 25.
November 1998) hat der Erste Senat § 18 des Betriebsrentengesetzes, der den
Fortbestand und die Höhe von Anwartschaften aus der Zusatzversorgung im
öffentlichen Dienst bei vorzeitigem Ausscheiden regelt, beanstandet und den
Gesetzgeber verpflichtet, bis Ende des Jahres 2000 eine verfassungskonforme
Regelung zu treffen.
Die 2. Kammer des Ersten Senats hat mit Beschluss vom 25. August 1999 (s.
Pressemitteilung Nr. 94/99 vom 7. September 1999) entschieden, dass es gegen
den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, wenn bei der
Berechnung der Zusatzrenten von Teilzeitbeschäftigten zu deren Ungunsten
Steuer- und Soziallasten in dem selben Umfang in Rechnung gestellt werden
wie bei einer Vollzeitkraft.
3. Die Beschwerdeführerin (Bf) war von 1972 bis 1982 im öffentlichen Dienst
beschäftigt, zunächst ganztags und später halbtags. Seit dem 1. Januar 1983
bezieht sie eine nicht-dynamisierte Mindestrente in Höhe von rund 47 DM
monatlich. Auf ihre Klage verurteilte das Amtsgericht die VBL, der Bf eine
weitere monatliche Rente in Höhe von rund 21 DM zu zahlen. Die Berufung der
Bf blieb erfolglos. Sie hält die Mindestrente für zu gering und erhob Vb
gegen die zivilgerichtlichen Urteile und mittelbar gegen die Satzung der
VBL.
II.
Die 2. Kammer des Ersten Senats hat die Vb mangels hinreichender
Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen, jedoch auf Folgendes
hingewiesen:
1. Soweit die Bf sich gegen die Berücksichtigung von Zeiten vor Aufnahme der
Tätigkeit im öffentlichen Dienst einerseits und die volle Berücksichtigung
der Sozialversicherungsrente bei der Bestimmung der Höhe der
Zusatzversorgung andererseits zur Wehr setzt, ist Art. 3 Abs. 1 GG (noch)
nicht verletzt.
Allerdings wird durch diese Regelung eine große Gruppe von
Versorgungsberechtigten, die vor ihrer Beschäftigung im öffentlichen Dienst
in der Privatwirtschaft gearbeitet haben, in sachlich nicht gerechtfertigter
Weise gegenüber denjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
benachteiligt, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht
haben. Bei der Zusatzversorgung handelt es sich um eine Betriebsrente, durch
die im Grundsatz die Betriebstreue des Mitarbeiters belohnt werden soll. Von
daher brauchten so genannte Vordienstzeiten an sich überhaupt nicht
berücksichtigt zu werden. Insofern wäre auch gegen die hälftige
Berücksichtigung einer Vordienstzeit bei der gesamtversorgungsfähigen Zeit
nichts einzuwenden, solange dem Versicherten daraus kein Nachteil erwächst.
Es geht aber nicht an, einen Versicherten mit Vordienstzeiten
schlechterzustellen als einen Arbeitnehmer, der vor dem Eintritt in den
öffentlichen Dienst überhaupt keine versicherungspflichtige Tätigkeit
ausgeübt hat. Dieses Ergebnis tritt aber in vielen Fällen ein, weil der
Satzungsgeber eine volle Anrechnung der gesetzlichen Rentenansprüche
ungeachtet der bloß hälftigen Berücksichtigung der Vordienstzeiten bei der
gesamtversorgungsfähigen Zeit vorsieht. Häufig wird sogar die bereits
erarbeitete Sozialversicherungsrente bei Eintritt in den öffentlichen Dienst
so hoch sein, dass die noch mögliche Gesamtversorgung, die der Beschäftigte
in den künftigen Arbeitsjahren erarbeitet, hiervon aufgezehrt wird, wodurch
von Anfang an feststeht, dass die Zusatzversorgung auf die Mindestrente
schrumpft.
Die Kammer führt aus, dass das Prinzip der Gesamtversorgung, dem die
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst unterliegt, die dargelegte
Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen vermag. Die Ungleichbehandlung ist
auch gravierend. Sie hält sich aber derzeit noch im Rahmen einer zulässigen
Generalisierung. In der Rentengeneration der Bf ist nur eine relativ kleine
Gruppe von Versicherten von der geschilderten Problematik betroffen.
Inzwischen liegen diese Voraussetzungen aber nicht mehr vor. Ein bruchloser
Verlauf einer Erwerbsbiografie im öffentlichen Dienst ist für die jüngere
Versichertengenerationen nicht mehr in hinreichender Weise typisch.
Angesichts dieser Entwicklungen kann die Benachteiligung der Rentner durch
die volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei
hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit bei der
Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum
Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Die VBL ist durch die
Entscheidung des Ersten Senats des BVerfG vom 15. Juli 1998 (s.o.) ohnehin
gezwungen, ihre Satzung bis zu diesem Zeitpunkt grundlegend zu erneuern. Der
VBL ist zuzumuten, im Rahmen der anstehenden Reform auch die Probleme
verfassungskonform zu lösen, die mit einer Änderung der Vorzeitenregelung
unverkennbar verbunden sind.
2. Durch die statische Ausgestaltung der Mindestversorgungsrente wird die Bf
gegenüber den Betriebsrentnern in der Privatwirtschaft benachteiligt; denn
diesen ist eine turnusmäßige Anpassung nach billigem Ermessen garantiert.
Die Benachteiligung ist auch gravierend. Faktisch kann diese Regelung dazu
führen, dass - abhängig von der Entwicklung der Löhne und Preise - die
Mindestversorgungsrente jedenfalls auf längere Sicht jegliche Bedeutung für
den einzelnen Versicherten verliert. Eine Verletzung des allgemeinen
Gleichheitssatzes kann jedoch auch insoweit noch nicht festgestellt werden.
Die statische Ausgestaltung steht im Zusammenhang mit den Regelungen, die
dem notwendigen und verfassungsrechtlich unbedenklichen Abbau einer
planwidrigen Überversorgung dienten, und hält sich insoweit noch im Rahmen
einer zulässigen Typisierung.
Im Rahmen der notwendigen gesetzlichen Neuregelung des Betriebsrentenrechts
für den öffentlichen Dienst ab 2001 steht auch der generelle Ausschluss der
Anpassungsprüfungspflicht für die Zusatzversorgungssysteme des öffentlichen
Dienstes in Frage. Der Satzungsgeber der VBL wird also spätestens im Jahre
2001 die Frage der Dynamisierung der Versichertenrente unter dem
Gesichtspunkt der Gleichstellung mit dem allgemeinen Betriebsrentenrecht zu
überprüfen haben.
3. Mit Blick auf die anstehenden Neuregelungen wird angemerkt: Das
Satzungswerk der VBL hat inzwischen eine Komplexität erreicht, die es dem
einzelnen Versicherten kaum mehr ermöglicht, zu überschauen, welche
Leistungen er zu erwarten hat und wie sich berufliche Veränderungen im
Rahmen des Erwerbslebens auf die Höhe der Leistungen auswirken. Eine weitere
Zunahme dieser Komplexität kann an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen, sei
es weil die Arbeitnehmer dadurch in der freien Wahl ihres Arbeitsplatzes
(Art. 12 Abs. 1 GG) in unzumutbarer Weise behindert werden, sei es weil sich
die sachliche Rechtfertigung für Ausdifferenzierung im Normengeflecht nicht
mehr nachvollziehen lässt und somit die Beachtung des allgemeinen
Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht mehr gewährleistet werden kann.
Dass eine den Belangen des öffentlichen Dienstes angemessen Rechnung
tragende, gleichwohl übersichtliche und durchschaubare Regelung möglich ist,
zeigt das Zweite Ruhegeldgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg vom 7.
März 1995.
BVerfG, Beschluss vom 22. März 2000 - Az. 1 BvR 1136/96 -
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